Jannis T.

jannis

by Brigitte M.

 

 

Jannis wurde im August 1945 in einer kleinen Stadt im Nordwesten Griechenlands  geboren. Er lebt zusammen mit seiner Frau zur Miete in einem Mehrfamilienhaus in Frankfurt/Main. Er hat einen Sohn und eine Tochter, die auch in Frankfurt leben. Die Tochter ist verheiratet und hat 2 Kinder, die nun 17 und 23 Jahre alt sind.


Ich besuche Jannis in seinem großen Schrebergarten am Stadtrand, wo er Gemüse anbaut, aber auch viele Obstbäume und Blumen wachsen. Wir sitzen in der Frühlingssonne vor seiner Gartenhütte.

 

Jannis´ Kindheit und Jugend
Jannis wurde ein paar Monate nach dem Ende des 2.Weltkrieges und kurz vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Griechenland geboren. Nach dem Überfall der Deutschen in Griechenland entstand eine starke Partisanenbewegung gegen die Besatzung, an der sein Vater mitkämpfte.


Deswegen lebte er zusammen mit seinem 3 Jahre jüngeren Bruder und seiner Mutter bei seinen Großeltern.  Eine seiner frühesten Erinnerungen ist, dass ein Spitzel zu ihnen nach Hause kam und ihn nach seinem Vater ausfragte. Kurz darauf kam sein Großvater ins Gefängnis, weil Jannis erzählt hatte, er habe Briefe von seinem Vater bekommen. Obwohl der Großvater bald wieder entlassen wurde, weil gute Freunde sich für ihn eingesetzt hatten, war das eine sehr prägende Erfahrung für  den 3jährigen Jannis. Die Linken, zu denen sein Vater gehörte,  verloren den Bürgerkrieg und sein Vater musste über Nordmazedonien nach Jugoslawien fliehen und kam von dort nach Taschkent. Als er zurückkehren konnte, war Jannis bereits 14 Jahre alt.  In dieser Zeit wurde auch seine Mutter wurde für 7 Monate auf eine kleine Insel verbannt.


Wegen seines Vaters wurde Jannis in der Schule als Außenseiter behandelt und schikaniert. Er musste für seinen Lehrer verschiedene Arbeiten erledigen..
Nach der 8. Klasse, mit 14,  verließ er die Schule. Sein Vater hatte nach seiner Rückkehr ein  Kafenion eröffnet, in dem Jannis zuerst mitarbeitete. Später wurde er Elektriker.
1967, kurz nach seiner Einberufung zum Militärdienst begann nach einem Putsch die Militärdiktatur (1967-74).  Sein Vater wurde in dieser Zeit noch einmal aus politischen Gründen für 7 Monate auf eine Insel verbannt. Er starb 1972.

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Jannis´ Erwachsenenzeit
Im Juni 66 lernte Jannis seine damals 16 jährige Frau kennen, die er nach seinem Militärdienst 1969 heiratete. Seine Frau kam aus der gleichen Kleinstadt wie er und arbeitete in einem kleinen Friseursalon. Bald darauf wurden ihre 2 Kinder geboren.
1972 ging seine Frau als (sog.) Gastarbeiterin nach Deutschland. Er selbst bekam aus politischen Gründen vorerst keine Ausreisegenehmigung und blieb mit den Kindern bei seiner Mutter in Griechenland. Erst im Sommer 73 konnte Jannis dann auch mit einer Arbeitserlaubnis nach Deutschland  auswandern. Die Kinder kamen ein paar Monate später mit seiner Mutter nach.
Sie lebten alle zusammen in einer kleinen Wohnung in der Frankfurter Innenstadt, 1980 zogen sie in eine Wohnung ein paar Häuser weiter, dort wohnt er mit seiner Frau heute noch.

 

Jannis arbeitete zuerst in einer Kürschnerei, 1977 machten er und seine Frau sich selbstständig. Sie bekamen von Großhändlern Felle, die sie zu Jacken und Mänteln verarbeiteten. Frankfurt/Main war damals ein Zentrum des internationalen Pelzhandels.
Die Kinder wurden von seiner Mutter betreut, die auch den Haushalt führte. Bis 1988  verdienten sie gutes Geld mit den Pelzen und konnten jedes Jahr im Sommer lange nach Griechenland reisen. Dann brach der Pelzmarkt zusammen, es war vorbei mit der Kürschnerei und sie mussten ihre Lagerbestände und die Maschinen weit unter dem Wert verkaufen.


Jannis war damals 44 Jahre alt und hat dann mal hier und mal dort gearbeitet. Er arbeitete in der Fabrik,  arbeitete im Lebensmittel Einzel- und Großhandel. Gegen einen Arbeitgeber musste er vor den Sozialgericht klagen, da er ihn um die Sozialbeiträge betrogen hatte. Als 1998 sein Arbeitgeber Pleite machte, „hing“ er „wieder in der Luft“ und war wieder arbeitslos. Das war sehr hart für ihn, mit seinen nun 60 Jahren war es schwer eine neue Arbeit zu finden.


So hat er in seinen letzten Berufsjahren Autos nach Griechenland überführt. Er holte die Autos überall in Deutschland ab und brachte sie über Ancona mit der Fähre nach Griechenland. Das lief bis zum Beginn der Finanzkrise in Griechenland,  im Jahre 2010, gut.  Danach brach der Gebrauchtwagen Export nach Griechenland zusammen.

 

 

Sein Leben als Rentner
Seit 2010 ist Jannis Rentner. Obwohl er in seinem Leben viel und hart gearbeitet hat, ist seine Rente sehr sehr gering. Als Selbstständiger war die Einzahlung in die Rentenversicherung  freiwillig und sie hatten nichts eingezahlt. Bei seinen anderen Arbeitsverhältnissen war Jannis zwar ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung angemeldet. Aber Einige seiner Arbeitgeber hatten ihn zu einem niedrigeren Betrag bei der Sozialversicherung gemeldet als er tatsächlich verdiente. Auch deshalb ist Jannis Rente heute so gering.


Nachdem sie ihre Selbstständigkeit aufgeben mussten, war seine Frau nur kurz arbeitslos. Sie fand eine Stelle in einem Pflegeheim. Dort arbeitet sie auf 400 € Basis auch heute, als Rentnerin, noch.Sie bezieht eine gute Rente und arbeitet ja auch noch immer, so kommen sie finanziell zurecht. Auch macht sein Frau kleine Näharbeiten für die alten Leute im Heim, dadurch verdient sie noch zusätzlich etwas dazu.


Jannis erzählt, dass, als  sie jung waren, ihre Perspektive und ihre Zukunftsvorstellung auf die Gegenwart gerichtet war. Sie dachten, jetzt arbeiten wir hart und machen Geld und später gehen wir wieder zurück nach Griechenland. So haben sie wenig vorgesorgt, sondern das Geld für die Kinder und ihr Leben ausgegeben.
Ihre Miete ist für Frankfurter Verhältnisse noch erschwinglich, da sie nun schon so lange in ihrer Wohnung leben.  Allerdings versucht der Vermieter sie loszuwerden, um die Wohnung sanieren und die doppelte Miete verlangen zu können. Dagegen wehrt sich das Ehepaar jedoch.

 

Seine Mutter ist Ende 1985 nach Griechenland zurückgegangen und kam dann, so lange sie noch reisen konnten, immer von November bis zum Frühjahr nach Deutschland. Das ging bis zum Jahr 2015, da war sie 94. Danach fuhr Jannis mehrmals im Jahr  für 3-4 Monate nach Griechenland und hat dort für sie gesorgt und sie gepflegt, bis sie 2019 mit 98 Jahren gestorben ist. Er konnte bei ihrem Tod dabei sein. Das war eine sehr schöne und gute Erfahrung für ihn.
 
Jannis besitzt seit 20 Jahren einen großen Garten am Stadtrand. Dort verbringt er jeden Tag von morgens bis abends, er arbeitet bei jedem Wetter, im Winter und im Sommer. In einer Gartenhütte hat er sich eine kleine Werkstatt eingerichtet. Zu vielen seiner Gartennachbarn hat er ein freundschaftliches Verhältnis. Es gibt keine Zäune zwischen den Gärten, es ist eine große freundliche Gemeinschaft, man hilft sich gegenseitig.
Sein Tagesablauf ist meistens gleich. Sein ganzes Bestreben ist es, in seinen Garten zu kommen.


Um ½ 8 steht er auf, kocht sich einen Kaffee und beginnt den Tag mit einem warmen Essen. Danach fährt er in seinen Garten. Mittags isst er Obst und ein Joghurt, abends meist Schafskäse, Tomaten und Olivenöl.


Oft besuchen ihn auch Freunde in seinem Garten. Seine Tochter hat auf dem Nachbargrundstück auch einen großen Garten.

 

Obwohl Jannis in seinem Leben so viel länger in Deutschland als in Griechenland lebt, fehlt ihm Griechenland. Sein Herz schlägt dort, er sehnt sich nach dem Leben, das er lebte, während er bei seiner Mutter war: das Fischen gehen mit den Freunden, die alten Bekannten, überhaupt die Heimat und die Lebensart.


Jannis meint, er könne  aber nicht nach Griechenland zurückgehen, weil er mit seiner kleinen Rente dort nicht alleine leben könnte. Hätte er mehr Geld zur Verfügung, würde er wenigstens im Sommer in Griechenland leben und im Winter zurückkommen, so wie das viele Griechen machen.


Das Leben in Deutschland hat ihn natürlich verändert. Er sagt, jedes Land hat seine Vorteile und Nachteile. In Deutschland schätzt er  z.B. die Pünktlichkeit. Griechenland habe eine ganz andere Lebensart. Aber die Neureichen dort missfallen ihm wie auch die einflussreichen privaten Fernsehsender,  die  viele Lügen verbreiten würden.
Jannis fühlt sich in Deutschland nicht als Ausländer sondern als Europäer.
Jannis sagt von sich, er habe 2 Seelen. Der eine Janins  regt sich auf, wenn man ihn z.B. beleidigt, der andere Jannis ist „ein Denker“. Er beobachtet seine Umwelt und macht sich zu den aktuellen Themen seine Gedanken.


Jannis benutzt ein Smartphone und schaut TV. Er nutzt keinen PC und auch kein Email.
Auf die Frage, was er als junger Mann über das Alter dachte, erzählt er eine kleine Anekdote. Mit 18 Jahren arbeitete er als Elektriker für ein Ferienlager, in dem junge Frauen Kinder betreuten. Als sein etwa 15 Jahre ältere Onkel ihn bat, bei einer der jungen Frauen ein gutes Wort für ihn einzulegen, dachte Jannis: was will denn dieser Alte….
Jannis wird in diesem Jahr 76, doch es fällt ihm schwer zu akzeptieren, dass er schon so alt ist. Er kann noch viel und gut arbeiten, fühlt sich körperlich und geistig fit. Trotzdem merkt er manches Mal, dass seine Kräfte nicht mehr so sind wie früher. Aber er weiß, daran kann er nichts ändern, so ist das Leben. Hauptsache, er ist gesund.
Seine Botschaft an die Jungen ist: Leben, leben, leben. Jeder soll so leben, wie es für ihn passt und stimmt. Die jungen Menschen sollen lebendig sein und sich nicht nur anpassen.


Die Alten sollten die jungen Menschen bei allem beraten, wenn sie es denn hören wollen.

Sein Motto ist: „Ich bin zufrieden. Wenn ich noch einmal jung wäre, würde ich das gleiche Leben wieder leben, das ich gelebt habe.“


Dann fügt er jedoch eine kleine Einschränkung hinzu. Finanziell wäre er allerdings vernünftiger und vorausschauender, um nicht wieder mit so einer geringen Rente auskommen zu müssen. Aber damals, als er genug verdiente, hat er nicht ans Alter gedacht.

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